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Stadthaus am Nordbad – Michael Reininger

Großer Dachausbau/ Dachaufstockung auf dem alten Karstadt schafft mehr Platz für Wohnen und Kultur in München.

Entwurfsverfasser:

Michael Reininger

 

Der in die Jahre gekommene Karstadt bildet zusammen mit dem Münchner Nordbad und dem Stadtarchiv ein Quartierszentrum des westlichen Schwabings. Das Warenhaus mit seinen drei Verkaufsetagen, sowie zwei darüber liegenden Parkdecks, generiert wie viele andere Kaufhäuser stetig weniger Nachfrage und ist in Zukunft höchstwahrscheinlich nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Aus diesem Grund soll der Karstadt am Nordbad umgenutzt werden.

Das Umnutzungskonzept sieht ein öffentliches Kulturhaus in den unteren drei Geschossen vor, das von einer kleinteiligeren Wohnstruktur überlagert wird. Durch diese Umwandlung des Kaufhauses in einen Hybriden, soll eine öffentliche Einrichtung mit kultureller Vielfalt und neuer Wohnraum für die rasant wachsende Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen geboten werden.

Die intensive Beschäftigung mit dem Bestandsgebäude stand am Ausgangspunkt des Entwurfes. Der in Skelettbauweise errichtete Bau basiert auf einem Stützenraster von 12 m, auf welchem massive Unterzüge in Längsrichtung als Haupttragwerk spannen. Für die Queraussteifung des Gebäudes sorgen sowohl die filigraneren Unterzüge des Nebentragwerks, als auch die vier massiven Erschließungskerne an den Längsseiten. Aufgrund der hohen Nutzlast, die von den Parkdecks in den beiden obersten Bestandsgeschossen ausgeht, ist die Konstruktion mit ihren 1 m breiten Betonstützen massiv dimensioniert. Diese Gegebenheit macht eine Aufstockung um drei Geschosse ohne Weiteres möglich. Da aber das zweite Parkdeck im 3. Obergeschoss mit seiner Stahlkonstruktion und dem Dach aus kunststoffbeschichtetem, verzinktem Trapezblech aus statischer Sicht keine Aufstockung zulässt, sieht der erste Schritt des Umbaus dessen Demontage vor. Eine weitere wesentliche Umbaumaßnahme ist das Einschneiden eines dreigeschossigen, sich abstufenden Innenraums. Durch diesen Lichthof wird im Zentrum des rund 80 m langen und 60 m breiten Baukörpers eine helle und freundliche Atmosphäre sichergestellt. Die Terrassierung des Innenraums zieht sich auch in dem dreigeschossigen Aufbau fort.

Städtebaulich bleibt der Fussabdruck des Gebäudes unverändert. Die platzartige Aufweitung der Schleißheimerstraße zwischen Nordbad und Stadtarchiv verleiht dem Bau eine starke stadträumliche Präsenz. Da das Gebäude im Vergleich zur Umgebungsbebauung und seinen eigenen Dimensionen merk- würdig schwach erscheint und an diesem Ort eine wesentlich höhere Bebauungsdichte zu erzielen ist, sieht der Umbau eine Aufstockung von drei Geschossen vor. Die Abstufungen der neuen Kubatur ab dem 3. Obergeschoss machen die innenräumliche Trennung von öffentlicher Nutzung und Wohnen von außen ablesbar. Mit seiner eindringlichen Typologie und der umlaufenden Terrassierung gewinnt das sechsgeschossige Stadthaus an architektonischer Strahlkraft und wird nun seinem repräsentativem Ort in direkter Nachbarschaft zum Nordbad und Stadtarchiv gerecht.

Der Haupteingang des Kulturhauses befindet sich, wie zuvor beim Karstadt, an der Schleißheimerstraße. Man gelangt in ein Foyer mit Empfangsbereich, das sich, vorbei an zwei repräsentativen, geschwungenen Treppen zu einem flexibel nutzbaren, dreigeschossigen Veranstaltungsraum öffnet. Als zentraler Raum dient er zur Orientierung und Verteilung im Gebäude und kann darüber hinaus als besonderer Ort für Veranstaltungen, Vorträge oder Ausstellungen dienen. Im Einklang mit der darüber liegenden Wohnstruktur treppt der überdachte Raum nach unten ab. Belichtet wird er vor allem durch die großzügigen, das Tragwerk betonenden Oberlichter.

Angrenzend an das Foyer, zum Vorplatz an der Schleißheimerstraße orientiert, befindet sich ein Café. Als Ort der Kommunikation und des Verweilens kann sich das Café zum Platz öffnen und diesen bespielen. Es soll als Anziehungsmagnet fungieren und auch in Verbindung mit Veranstaltungen zu nutzen sein. Zur ruhigen und wenig befahrenen Wormserstraße ist ein Kindergarten mit mehren Gruppenräumen angesiedelt. Der ehemalige Anlieferungshof des Warenhauses im hinteren Teil des Gebäudes wird für Werkstätten und Ateliers umgenutzt. Ebenfalls im hinteren Bereich befindet sich die ehemalige Parkhausauffahrt, die als Doppelhelix ausgebildet ist und das Erdgeschoss mit dem 2. Obergeschoss verbindet. Diese wird mit eingezogenen Zwischenterrassen versehen, auf welchen Sitzecken und Ausstellungsflächen zum Verweilen einladen. Im Auge der Helix wird ein überkonfessioneller Andachts- und Meditationsraum errichtet, der über ein Oberlicht belichtet wird. Neben zwei weiteren flexibel einteilbaren Veranstaltungsräumen verfügt das Erdgeschoss auch über Räumlichkeiten für den Einzelhandel.

Im 1. Obergeschoss, mit seiner im Vergleich zum Erdgeschoss kleinteiligen Struktur, beenden sich Büro- und Fachräume. Die Fachräume können zum Beispiel für Sprachkurse, Musikgruppen, Berufs- bildungskurse, Schülernachhilfe oder Integrationskurse genutzt werden. Außerdem können sie zum

Beispiel von Startups partiell angemietet werden. Die einzelnen, an der Außenfassade liegenden Räumlichkeiten werden durch eine öffentliche Kommunikationsfläche mit Besprechungsräumen und Tee- küchen verbunden.

Im 2. Obergeschoss befinden sich die neuen Räumlichkeiten der Schwabinger Stadtteilbibliothek. Der frei einteilbare, helle Raum bietet sowohl ruhige Leseplätze mit hoher Aufenthaltsqualität, als auch durch die Kerne räumlich getrennte Computerarbeitsplätze zur Internetrecherche und Kommunikation. Die großzügige, offene Bibliothek ermöglicht Ausblicke in das umliegende Schwabing und interagiert durch die Anbindung an den dreigeschossigen Lichthof mit den anderen Stockwerken des Kulturhauses.

Die Abstufung der dreigeschossigen Wohnaufstockung um jeweils ca. 1,70 m erzeugt unterschiedliche Grundrisstiefen und somit eine abwechslungsreiche Wohnlandschaft mit vielfältigen Grundrissen. So verfügt der Aufbau mit seinen rund 90 Wohnungen sowohl über Einzelappartements von ca. 20 m2 als auch über luxuriöse Wohnungen von 160 m2.

Um die Wohngeschosse zu erschließen, werden die Bestandstreppenhäuser erweitert und jeweils mit einem Aufzug versehen. Dadurch, dass die Erschließungskerne außen liegen, werden die Bereiche, die nicht direkt daran angegliedert sind, als Maisonettetypologien ausgebildet. Vergleichbar zur „Unité“ Le Corbusiers kann durch die versetzte Anordnung der Wohnungen die „rue intérieure“ minimiert werden. Ein umlaufender Erschließungsgang ist somit nur im 4. Obergeschoss notwendig. Dieser erfährt an den vier Ecken durch Lichthöfe eine Aufhellung. Die Eckwohnungen der Aufstockung können hingegen geschossweise vom Treppenhaus aus erschlossen werden.

Da die alte Fassade des Karstadts aus vorgehängten Sandwichelementen, Alulisenen und Fenster aus eloxiertem Aluminium nicht mehr den heutigen Anforderungen entspricht, wird sie vollständig ersetzt. Dem umgebauten Baukörper wird ein Hülle verliehen, die sich über das komplette Gebäude zieht. Die neue reliefartige Fassade aus vorgehängten Betonfertigteilen ist dem äußeren Erscheinungsbild des städtischen Hauses verpflichtet. Die vertikalen und horizontalen Elemente nehmen das Konstruktionsraster und die innere Struktur des Gebäudes auf und machen diese von außen ablesbar. Die durchgängige Fassadenstruktur wird lediglich durch die eher geschlossenen Erschließungskerne unterbrochen und aufgelockert.

Zwischen den stehenden und liegenden Bossen, die Assoziationen zum Prager Kubismus wecken, ver- mitteln Setzsteine. Die daraus entstehende Ornamentik erzeugt ein lebhaftes Licht- und Schattenspiel. Der Sockel des Gebäudes setzt sich durch seine eher flächigen Fertigteile, die sich auch an den Treppenhäusern nach oben ziehen und lediglich durch Fugen gegliedert sind, von den restlichen Geschossen ab. Der Geländeanstieg von 1,40 m wird an den Längsseiten durch einen Versprung im So- ckel jeweils an den Treppenhäusern gelöst. Die Brüstung der umlaufenden Terrassen, ebenfalls aus Betonelementen, ist so gegliedert, dass sie mit der dahinter liegenden Fassade korrespondiert.